Corona in China – die Gefahren liegen vor uns

Marktupdate 49/2022

Markus Schön, Dienstag 06. Dezember 2022

Langsam rückt das Ende des Jahres 2022 näher. Viele Fonds haben ihr Geschäftsjahresende bereits am 30.11. gehabt. Aber gerade vor diesem Hintergrund ist es positiv, dass die Märkte nicht nur stabil sind, sondern beispielsweise die Nachfrage nach Neuemissionen von Unternehmensanleihen konstant hoch bleibt. Eigentlich ist der Dezember eines Jahres ein Zeitraum, in dem die Kursfeststellung zunehmend willkürlich wird, weil sich nach und nach immer mehr Marktteilnehmer aus dem aktiven Handel verabschieden. In diesem Jahr ist dies anders. Wer das Minus bei US-Technologieaktien von immer noch fast 30% sieht, weiß, wie herausfordernd das Marktumfeld ist. Aber auch der MDAX als „zweitgrößte Börsenliga“ in Deutschland ist fast vergleichbar stark im Minus und auch der DAX hat sich nicht wirklich erholt. Aber für das Umfeld – Krieg in der Ukraine, Lieferketten, Energiepreise. ist die Marktentwicklung inzwischen erfreulich. Dies macht sich auch in den Schön & Co-Mandaten bemerkbar, die deutlich stärker als der Markt und viele Wettbewerber hinzugewinnen. Dies ist auch logisch, weil unsere Markterwartung einer sinkenden Inflation eingetreten ist und damit die Zinsen wieder deutlich sinken. So ist die Rendite deutscher Staatsanleihen von ihrem Jahreshoch 2022 fast 1%-Punkt gesunken und liegt mit aktuell 1,85% p. a. auch wieder deutlich unter der 2%-Marke. Nun muss man sich allerdings fragen, welchen Einfluss die nun wieder steigenden Rohstoffpreise haben. Der Anstieg ist auf die Entwicklung in China zurückzuführen, dass die Null-Covid-Strategie von der Regierung dort wohl doch nicht durchgehalten werden kann. Allerdings ist die Entwicklung dort sehr schwierig: Zwischen einer deutlichen Erholung der Wirtschaft und einer Eskalation der Proteste, die mit zuletzt 1989 – mit den bekannten Folgen – vergleichbar sind, scheint nur ein schmaler Grat zu liegen.

Derzeit haben sich die Kapitalmärkte für eine Beruhigung und eine damit verbundene, deutliche wirtschaftliche Erholung entschieden. Dies hat für die relative Stabilität an den Kapitalmärkten mit seitwärts gerichteten Aktienmärkten, steigenden Anleihekursen und stark steigenden Rohstoffpreisen gesorgt. Der Krieg in der Ukraine ist an den Kapitalmärkten „abgeharkt“. Selbst der – deutlich über dem aktuellen Marktpreis – liegende Preisdeckel für russische Ölexporte auf dem Seeweg wurde bestenfalls zur Kenntnis genommen. Interessanter könnte die Entscheidung der OPEC+ vom Wochenende, an den bekannten Förderkürzungen festhalten zu wollen, an den Kapitalmärkten aufgenommen werden. Faktisch hilft die OPEC+ damit Russland und unterwandert die Bemühungen der westlichen Notenbanken, die durch die Energiepreise ausgelöste Inflation zu bekämpfen. Spannend wird nun sein, wie Russland selbst auf den Preisdeckel reagiert. Bislang ist nur bekannt, dass der Staat dies nicht akzeptieren will. Die konkreten Gegenmaßnahmen sind aber noch unklar; weitere Förderkürzungen sind aber möglich. Grundsätzlich scheint aber politisch eine Annährung an Russland vorbereitet zu werden, nachdem – glücklicherweise auf völlig anderer Ebene – deutlich wird, dass das Verhältnis der USA zur EU ebenfalls nicht spannungsfrei ist. Der US-Präsident Joe Biden präsentiert sich zwar diplomatischer als sein Vorgänger Donald Trump, setzt aber dessen protektionistischen Kurs – teilweise sogar – verschärft fort. Die von seinem Parteikollegen und dem vermutlich schwächsten US-Präsidenten seit mehreren Jahrzehnten Barack Obama ausgerufene Politik des „America first“ verfeinert Joe Biden aktuell mit einem Konjunkturpaket, von dem US-Unternehmen und Investitionen in den USA besonders profitieren. Wenn dies auf Politiker wie Robert Habeck trifft, weiß man, dass man sich ernste Sorgen um den Wirtschaftsstandort Deutschland machen muss. Wer weder Insolvenzen versteht noch die Bedeutung von Krediten für eine Volkswirtschaft nachvollziehen kann, wird die Risiken, die von einer protektionistischen Wirtschaftspolitik ausgehen, auch nie richtig einschätzen können. Deswegen war es nicht verwunderlich, dass Katar verhältnismäßig wenig Flüssiggas an Deutschland liefern wird und Habeck von Katar scharf kritisiert wurde. Umso wichtiger ist die klare Positionierung des französischen Präsidenten Emanuel Macron gegen die USWirtschaftspolitik. Man kann in diesem herausfordernden Umfeld keine selektive Politik betreiben: Russland bekämpft man militärisch gemeinsam, aber um die notwendigen Einnahmen kämpft man gegeneinander. Dies zeigt, dass die USA und Joe Biden nicht verstanden haben, dass es derzeit nicht nur um eine militärische Frage, sondern tatsächlich um eine Systemfrage geht. Bis in dieses Jahr hinein schien es, als wären autokratische Systeme wirtschaftlich überlegen. Russland war ein kaum verschuldeter Staat mit relativer Stabilität; China war nicht nur ein wirtschaftlich dynamisch wachsendes Land, sondern schaffte auch bessere Lebensbedingungen für immer mehr Menschen.

Jetzt zeigt sich aber, dass autokratische Systeme an Grenzen stoßen – in Russland durch den Krieg, in China durch die restriktive Corona-Politik. Wenn sich demokratische Strukturen durchsetzen, ist es immer besser, aber der Weg dahin kann sehr problematisch werden. Deswegen ist der teilweise deutliche Anstieg von erstklassigen Anleihen nicht durch die rückläufige Inflation zu erklären. Vielmehr wird Sicherheit wieder gesucht und nun kommt die zusätzliche Nachfrage hinzu, die aus einer teilweise wieder deutlich positiven Verzinsung resultiert. Vor knapp einem Jahr lag beispielsweise die Rendite deutscher Staatsanleihen noch im Minus. Derzeit ist sie deutlich positiv und wird aufgrund der rückläufigen Inflation auch positive Realrenditen nach sich ziehen. Die Herausforderung bleibt das Management der Laufzeiten, weil es momentan für kürzere Laufzeiten mehr Zinsen als für länger laufende Papiere gibt. Diese Sondersituation wird sich auflösen.

Zurückzuführen ist dies in erster Linie auf die Sorgen um eine tiefe globale Rezession, die wahrscheinlich deutlich geringer als – u. a. auch von uns bislang – erwartet ausfällt. Dies ist durch den nachlassenden Preisdruck ebenso zu erklären wie durch die relativ stabile Wirtschaftssituation, während die Stimmung gedrückt bleibt. So ist die Konsumsituation in den USA relativ gut. Amazon hat eine ausgezeichnete „Black Week“ – ähnlich wie buero.de – hinter sich, aber der Aktienkurs liegt deutlich unter dem Niveau vor der Corona-Pandemie. Bei den USTechnologiewerten haben nicht wenige Titel teilweise mehr als 60% verloren und reihen sich damit in die Entwicklung der Digitalwährungen ein. Risiken, die nur durch günstige Zinsen funktionieren, werden derzeit gemieden.

Schließlich ist die Frage nicht unwesentlich, ob wir am Beginn einer neuen Krise stehen. Die Konjunkturdaten sind teilweise deutlich schwächer als erwartet. Neben dem deutschen ifo- Geschäftsklima-Index sind vor allem die Daten vom USArbeitsmarkt enttäuschend. Deswegen stellt sich die Frage, ob die US-Dollar-Schwäche, die in der zweiten Hälfte der vergangenen Handelswoche zu spüren war, tatsächlich auf die Rede des USNotenbankpräsidenten zurückgeht oder nicht eine konjunkturelle beachtenswert. Trotz deutlich steigender Corona-Infektionszahlen und damit verbundenen Lockdown gewinnt die Währung mehr als 1,5%. Setzt sich dieser Trend fort, wird Elon Musk sehr schnell vom vermeintlich reichsten Mann der Welt zum größten Pleitier abstürzen. Betrachtet man nicht nur die Rückgänge seines Vermögens durch die Kursentwicklungen, sondern bezieht die zunehmende Schwäche des US-Dollars ein, sinkt sein Vermögen noch schneller. Schließlich hat die US-Währung – aus unserer Sicht nicht überraschend, aber überraschend schnell, die Marke von 1,05 nach unten durchbrochen. Aktuell ist dies ein faires Preisniveau, während die rohstoffnahen Währungen eher weiteres Aufwärtspotenzial haben. Der Russische Rubel ist dabei ein bisschen „black box“, weil die Folgen und Reaktion auf den Ölpreisdeckel unklar sind, aber Mexikanischer Peso und vor allem „die Dollar“ aus Australien und Neuseeland dürften ebenso wie die chinesische Währung wieder an Stärke hinzugewinnen.

Von dem schwachen US-Dollar und der vielleicht einsetzenden Entspannung in China – jedoch mit völlig unabsehbaren gesellschaftlichen Folgen – dürften auch die Edelmetalle weiter profitieren. Silber hat mit einem Anstieg im Wochenvergleich um 8% die Jahresentwicklung des Goldpreises übertroffen, der noch 2% in diesem Jahr im Minus liegt. Lediglich Platin weist mit einem Gewinn von 5% in diesem Jahr ein gutes Plus aus. Bei den industriell benötigten Rohstoffen ist das Bild differenzierter. Der Ölpreis hat seine ganze Entwicklung in diesem Jahr verloren und lag teilweise im Minus. Die weiterhin hohen Treibstoffpreise dürften die Gewinne der Mineralölkonzerne und des Staates befeuern. Der Rohstoffeinkauf ist keine Ursache mehr. Aber durch China ziehen auch die Preise für Industriemetalle wieder an. Auch das ist eine Entwicklung, die – weniger dynamisch – anhalten wird.

Der Text ist unser sonntäglich erscheinendes Schön&Co-Marktupdate, für das Sie sich unter info@schoenco.de jederzeit kostenlos und unverbindlich anmelden können.