Liquiditätsparty an den Kapitalmärkten - blöd, aber beliebt.
Marktupdate 17/2020
Markus Schön, Dienstag 28. April 2020
Derzeit erleben wir eine Pandemie historischen Ausmaßes. Da darf man sich eigentlich nicht wundern, wie dramatisch die Auswirkungen sind. Viele Einschätzungen basierten aber in den letzten Tagen und Wochen eher auf „gefühlten Analysen“. Nun wurden diese aber mit umfänglichen Fakten bestätigt. Die Konjunkturdaten sind dramatisch. Der ifo-Geschäftsklima-Index ist auf den tiefsten Stand seit Beginn der Erhebungen gefallen. Damit ist die Wirtschaftsstimmung in Deutschland schlechter als während der Finanzkrise und nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers. Der US-Arbeitsmarkt entwickelt sich mindestens ebenso katastrophal. Innerhalb eines Monats sind 26 Millionen Menschen arbeitslos geworden. Dies ist noch lange nicht das Ende. Aber auch in Europa rechnet man nun mit fast 60 Millionen Menschen, die keine Beschäftigung mehr haben werden. Wir steuern auf eine gesellschaftliche Katastrophe zu, während die Politik zunehmend blindwütig Geld verteilt und die Kapitalmärkte sich auf die nächste Liquiditätsparty freuen. Es ist viel Geld an den Märkten vorhanden. Das meiste davon ist „dummes Geld“, weil es Fremdkapital von Investoren ist, die es sich nicht selbst erarbeitet haben. So hätten sich Spanien und Italien, die jeweils ca. 15 Mrd. Euro Staatsanleihen emittierten, für 100 Mrd. Euro Papiere platzieren können. An den Märkten wird über die EZB faktisch eine gemeinschaftliche Haftung eingepreist. Die aktuelle Situation ist ein Traumszenario: Es gibt höhere Zinsen als bei bislang nur theoretisch denkbaren Euro-Bonds, aber gefühlt hat man eine kollektive Haftung. Spannend wäre die Reaktion auf eine Positionierung aus Deutschland, Finnland oder Österreich im Ernstfall Spanien, Italien oder Frankreich nicht finanziell zu retten. Dann würde man Marktverwerfungen bei Staatsanleihen erleben, gegen die die Eurokrise und Griechenland nur ein laues Lüftchen gewesen wäre. Natürlich kann man dies nicht tun. Aber Spekulanten von dieser Verantwortung durch höhere Renditen profitieren zu lassen, geht auch nicht. Vielmehr muss man hier Lösungen schaffen, die den „Haftungsspekulanten“ schaden.
Schließlich ist schon jetzt die Unruhe an den Kapitalmärkten immens, obwohl die Schwankungen geringer waren und unsere Markterwartung in der Grundrichtung eingetreten war. Dies hat die Möglichkeit eröffnet, auch bei Anleihen teilweise zweistellige Kursgewinne zu realisieren. Derzeit ist die Nervosität an den Rohstoffmärkten besonders greifbar. Das „historische Highlight“ in diesem Bereich war die Entwicklung des Rohölpreises in den USA. Dieser ist erstmals in der Geschichte in den negativen Bereich gefallen. Wer also 159 Liter (ein Barrel Öl) mit Liefertermin im Mai 2020 verkaufen wollte, musste dafür knapp 40 US-Dollar bezahlen. Zwar spielten kapitalmarkttechnische Faktoren eine Rolle, aber wesentlich war die Sorge nach fehlenden Lagerkapazitäten und der Frage, was Öl als Schmierstoff der Weltwirtschaft noch wert ist, wenn es keine Weltwirtschaft in der bisherigen Form mehr gäbe. Es war wie eine kalte Dusche für alle Inflationspropheten und Sachwertgläubigen. Wenn ein industriell auch perspektivisch benötigter Rohstoff keinen Wert mehr hat, stellt sich die Frage, warum dies nicht auch bei Gold ähnlich sein könnte. Schließlich würden in gesellschaftlich unruhigen Zeiten die Transport- und Sicherungskosten für das Edelmetall so stark steigen, dass dann – ähnlich wie in den letzten Tagen bei Öl – der Besitz von Gold zu einer Belastung würde. Diese Krise stellt viele Gewissheiten auf den Kopf und wird völlig neue Fragen aufwerfen. Deswegen ist unabhängige Expertise und umfassendes Research so wichtig wie nie zuvor. Diese Erfahrung werden auch viele Immobilienanleger machen. Hier erlebt man gerade ein Deja-Vu: Wie schon nach der Finanzkrise werden offene Immobilienfonds temporär geschlossen. Vorreiter in einem negativen Sinne ist hier Großbritannien, das neun Immobilienfonds schließen musste, weil die Bewertungen der Immobilien einbrechen und die Mittelabflüsse an die Anleger zu Notverkäufen führen würden. Bei der bei allen wirklich liquiden Anlagen üblichen Marktpreisbewertung gäbe es in Deutschland auch keinen handelbaren Immobilienfonds mehr. Deswegen sollte für Anleger in diesem Bereich das gelten, was sonst häufig nicht gut endet: If you panic, panic first. In diesem Bereich drohen erhebliche Verluste, weil der gesamte Immobiliensektor vor teilweise hohen Werteinbußen steht.
Die einfache Formel “sinkende Zinsen rechtfertigen steigende Preise“ wird nach dieser Krise zumindest in dieser Absolutheit nicht mehr gelten. Schließlich hatte das vor Corona schon historisch niedrige Zinsniveau auch vor diesem Crash nicht geschützt. Eine Pandemie lässt sich nicht von Geldpolitik abschrecken oder aufhalten. Hier können nur die Folgen abgefedert werden. Derzeit versucht man dies aber nicht, sondern tatsächlich möglichst alles zu retten und die Vor-Corona-Situation in die Zukunft zu konservieren. Am Ende werden aber die Volkswirtschaften und Unternehmen profitieren, die sich auf die Situation einstellen und entsprechende Zukunftsmodelle entwickeln. Es wird hoffentlich wieder mehr die unternehmerische Substanz als die günstigen Finanzierungskosten in den Vordergrund rücken. Für Zinsanleger sind beide Szenarien zunächst erfolgversprechend. Entweder profitiert man kurzfristig von den steigenden Kursen oder langfristig von einer laufend guten Rendite. Die aber zukünftig ent-stehenden Risiken muss man aktiv managen und gestalten.
Dies hat natürlich auch Einfluss auf die Aktien, zumal einzelne Unternehmen – vor allem in den Bereichen Pharma und Nahrungsmittel – schon wieder fast auf „Vor-Corona-Niveau“ notieren. Wir haben dieses Umfeld genutzt, um beispielsweise sehr attraktive Gewinne bei dem französischer Pharmakonzern Sanofi für unsere Kunden zu realisieren. Schließlich erwarten wir weiterhin ein nervöses Umfeld. Die starken Bewegungen bestätigen unsere Einschätzung und führen reine technische Modelle nicht nur an ihre Grenzen, sondern weit darüber hinaus. Für Anleger sind sie eine Garantie des Kapitalverlustes. Schließlich werden die Schwankungen in den nächsten Tagen und Wochen hoch bleiben. Gerade mit Blick auf die teilweise auch uns in der Schwäche überraschenden Konjunkturdaten dürfte sich der DAX eher wieder zur Marke von 10.000 Punkten bewegen. Der Erleichterung zur Beruhigung der Pandemie steht der Schock über die wirtschaftlichen Folgen noch bevor. Dazu zählt auch, dass man nicht jedes Unternehmen retten kann.
Schließlich müssen sich Deutschland und Europa fragen, wofür sie wirtschaftlich zukünftig stehen wollen. Anders hat man gegen China und die USA, deren Krankheitszahlen in der Corona-Pandemie deutlich besser werden, kaum eine Chance. Dies zeigt auch die Währungskursentwicklung. Der US-Dollar wird wieder von Woche zu Woche moderat stärker, während der Euro auch gegen die neuseeländische und australische Währung verliert. Von einem starken Euro sind wir derzeit so weit wie Donald Trump vom Medizin-Nobelpreis entfernt. Lediglich gegen die stark ölpreisabhängigen Währungen kann sich die europäische Gemeinschaftswährung behaupten. Wenn aber die Währung eine Messgröße für den globalen Wert der jeweiligen Volkswirtschaft ist, reicht dies nicht aus. Am Ende wird die globale Wertschöpfung längerfristig niedrig sein. Bekämen die Klima-Aktivisten ihren Willen, würde die Weltwirtschaft einfach im aktuellen „Corona-Modus“ weitermachen. Die Vermögenseinbußen gerade in Europa wären unvorstellbar. Deswegen wird ein stärkerer Euro nur nachhaltig möglich sein, wenn man intelligente Wirtschafts- und Finanzpolitik aus der Krise heraus gestaltet.
Dies ist momentan nicht abzusehen, so dass der Euro eher schwächer werden wird. Besonders deutlich wird sich dies gegenüber rohstoffnahen Währungen bemerkbar machen, weil die Mehrzahl der Rohstoffe – gerade im Kontext industrieller Verwendbarkeit – viel zu günstig ist. Die Ölpreisthematik hatten wir bereits dargestellt. Hier sind zumindest Stabilisierungstendenzen erkennbar. Dennoch darf man nicht vergessen, dass der Energierohstoff in den letzten zwei Handelswochen 30% seines Wertes eingebüßt hat, obwohl man sich auf Förderkürzungen geeinigt hatte. Dort wird ein viel stärkerer Wirtschaftseinbruch eingepreist als ihn die ohnehin schwachen Konjunkturdaten erwarten lassen oder die Aktienkurse prognostizieren. Deswegen bleiben aus unserer Sicht Silber und Platin so interessant. Durch die industrielle Komponente profitieren beide Edelmetalle von einer wirtschaftlichen Belebung. In einem Krisenszenario waren sie nicht schlechter als Gold, das spätestens seit Corona den Nimbus als Krisenschutz verloren haben sollte. Der aktuelle Anstieg fiel schwächer als bei anderen Edelmetallen aus und ging vor allem mit der Aktienmarkterholung einher.
Der Text ist unser sonntäglich erscheinendes Schön&Co-Marktupdate, für das Sie sich unter info@schoenco.de jederzeit kostenlos und unverbindlich anmelden können.