Tesla, Bitcoin, Musk – Substanz zählt nicht mehr
Marktupdate 02/2021
Markus Schön, Dienstag 19. Januar 2021
Die letzte Amtswoche des US-Präsident Donald Trump beginnt und wird am 20.01.2021 mit der Übernahme der US-Präsidentschaft durch Joe Biden ohne vorzeitiges Ende durch Rücktritt oder Amtsenthebungsverfahren enden. Letzteres könnte sozusagen nachträglich noch folgen, um Donald Trump dauerhaft die Möglichkeit eines politischen Amtes zu nehmen. Dies würde die Spaltung der US-Republikaner sicherlich vertiefen. Deswegen sollte man auf ein relativ „normales“ Ende einer Präsidentschaft hoffen, die demokratisch alles andere als wünschenswert war. Wirtschaftlich hat Donald Trump einiges erreicht, in dem er den US-amerikanischen Weg immer neuer Schulden auf ein völlig neues Niveau gehoben hat. Ohne Corona-Krise wäre von seiner Amtszeit eine solide Wachstumsphase und ein sehr starker Arbeitsmarkt in Erinnerung geblieben. Durch sein schlechtes Corona-Management wurde Trump nicht nur abgewählt, sondern hinterlässt auch einen sich zunehmend wieder abschwächenden Arbeitsmarkt. Joe Biden versucht nun, durch die Ausweitung des aktuellen Hilfspakets die US-Wirtschaft und den Arbeitsmarkt zu stabilisieren. So werden beispielsweise Einmalhilfen von 2.000 US-Dollar gezahlt, die schnell in den Wirtschaftskreislauf fließen sollen. Dies ist aber kontraproduktiv, wenn zur Bekämpfung der Corona-Neuinfektionen auch in den USA die Kontakte reduziert werden sollen. Hier ist noch keine klare Strategie des zukünftigen US-Präsidenten zu erkennen, der im Übrigen wirtschaftspolitisch noch keine anderen Akzente als der international heftig kritisierte Donald Trump andeutet. Damit verbunden ist Enttäuschungs-potenzial an den internationalen Kapitalmärkten, wenn deutlich wird, dass das politische Erbe Trumps in Form von Protektionismus und „America first“ erhalten bleibt. Gleiches gilt für die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie. Neben einem in Europa und vermutlich auch in Deutschland immer strikter werdenden Lockdown müssen die Mutationen Anlass zur Sorge geben. Während die Virusveränderungen aus Großbritannien und Südafrika wohl „nur“ infektiöser sind, scheint die Brasilien eine Mutation aufzutreten, die in Teilen gegen die aktuellen Impfungen resistent sein könnte. Damit droht die Bekämpfung der Corona-Pandemie viel länger zu dauern und tiefere Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Erholung nach sich zu ziehen. Nach einem an den Märkten zum Wochenanfang in Deutschland noch positiv bewerteten Wirtschaftsabschwung von 5% im Jahr 2020 – u. a. auch deutlich besser als von uns erwartet – erscheint die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahr immer ungewisser. So scheinen die wirtschaftlichen Risiken bei dem Lockdown aktuell noch begrenzt zu sein, da der Außenhandel funktioniert, die Grenzen geöffnet sind und viele Wirtschaftszweige positiv überraschen. Aber dies ist keine Garantie für die weitere Entwicklung. Schließlich mehren sich schon jetzt die Nachrichten zu Produktionseinschränkungen durch fehlende Daten-Chips.
Völlig losgelöst von diesen Entwicklungen scheint nur der „Elektro-Automobilhersteller“ Tesla zu sein. Selbst ein umfänglicher Rückruf seiner Fahrzeuge belastet den Kurs des teuersten Auto-Konzerns weltweit nur kurz. Auch dort ruhen die Hoffnungen auf Joe Biden, der in den USA die Wende zur Elektromobilität einleiten soll. Dem Tesla-Gründer Elon Musk kann dies alles egal sein. Zwar kann sein Konzern Zahlungen für das in Deutschland geplante Werk nie fristgerecht erbringen, aber dennoch ist er derzeit der reichste Mensch der Welt. Damit hat er das perfekte Schneeballsystem geschaffen. Wie unsinnig die Entwicklung ist, zeigt seine Empfehlung, einen nicht börsennotierten Messenger-Dienst als Alternative zu WhatsApp zu nutzen. Seine Anhänger verwechselten diesen Dienst „Signal“ mit einem börsennotierten Unternehmen aus der US-Medizintechnik und ließen den Kurs von 0,60 auf über 70 US-Dollar explodieren. Der Kurs hat sich also mehr als verhundertfacht. Damit war ein unbekanntes US-Unternehmen mit 6 Mio. US-Dollar Umsatz ohne jemals nennens-werten Gewinn plötzlich über 1 Mrd. US-Dollar wert. Wenn die richtige Person also etwas völlig Falsches twittert, reicht dies aus, um unvorstellbare „Sachwerte“ zu schaffen. Das hat nichts mehr mit seriöser Geldanlage zu tun, sondern ist ein Spiel-Casino, in dem suggeriert wird, es ginge um realwirtschaftliche Zusammenhänge. Deswegen führt an unabhängiger Expertise und eigenem Research kein Weg vorbei. Die eher moderaten Verluste an den internationalen Aktienmärkten in den letzten Tagen zeigen sehr deutlich, dass nicht mehr viele Anleger den aktuellen Bewertungen trauen. Hinzu kommen immer mehr politische Risiken. Die Entwicklung der USA unter Joe Biden ist ebenso ungewiss wie Entwicklungen in Europa. Dort sind innerhalb weniger Tage mit Estland, Italien und den Niederlanden drei Regierungen auseinandergebrochen.
Gerade die Entwicklung in Italien hatte sich an den Kapitalmärkten etwas stärker bemerkbar gemacht. Zunächst kamen die Renditen italienischer Staatsanleihen unter Druck, während insbesondere deutsche Anleihen profitieren konnten. Diese Bewegung relativierte sich aber wieder schnell, nachdem klar wurde, dass die EZB keine Alternative haben wird, als ihre sehr expansive Geldpolitik fortzusetzen und ggf. noch auszuweiten. Jetzt kommen sogar Stimmen auf, die mögliche Steuererhöhungen für inflations-dämpfend erachten. Schließlich stünden dann Unternehmen und Haushalten weniger Geld zur Verfügung, was sich dämpfend auf die Nachfrage und damit auf die Preise auswirken würde. Tatsächlich sind Steuererhöhungen immer preistreibend, weil sie entweder Waren und Dienstleistungen unmittelbar verteuern. Aus diesem Grund wird es in Deutschland im Januar 2021 wieder eine positive Inflationsrate geben, nachdem die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer ausgelaufen ist. Alternativ erfolgt der Preiseffekt mittelbar, weil Unternehmen die Steuererhöhung auf ihre Preise aufschlagen, um mindestens unveränderte Gewinnmargen zu haben. So werden die Energiekonzerne in Deutschland in diesem Jahr überproportional von der CO2-Abgabe profitieren, weil sie so ihre Margen ausweiten können. Würde sich daraus ein genereller Trend zu steigenden Preisen entwickeln, droht den Notenbanken weltweit ein Dilemma: Geldpolitisch müssten sie die Zinsen erhöhen, realwirtschaftlich und mit Blick auf die (staatlichen) Schulden wird dies zunehmend unmöglich.
Dies ist ein Argument, weshalb man immer wieder etwas zur „Alternativlosigkeit“ von Aktien hört. Dabei wird übersehen, dass Anleihen mit Zinskupon und Kurspotenzial zwei Ertrags-möglichkeiten haben und Aktien keine Erfolgsgarantie bieten. So hat der DAX in den letzten fünf Jahren eine Rendite von 1,4% erzielt, während Schön & Co Vermögensverwaltungen vielfach mehr als das Doppelte oder Dreifache erreichten. Auch die in den letzten Monaten im Zuge der Corona-Pandemie so positiv eingestuften US-Technologiewerte stagnierten häufig. Die erreichten Bewertungen sind sehr hoch. Dies zeigt auch gerade der Quartalsbericht des deutschen Technologiekonzerns SAP, der zwar sehr überzeugend war, aber keinen Kursschub nach sich zog. Insbesondere im Cloud-Geschäft wächst das Unternehmen ordentlich. Kritischer ist weiterhin die Situation im Bankensektor. Gerade die deutschen Kreditinstitute erhöhen ihre Risikovorsorge deutlich. Dies muss man – losgelöst von der Sondersituation der Commerzbank – als wirtschaftliches Warnsignal sehen.
Allerdings wäre es zu weit gegriffen, die in Teilen feststellbare Schwäche des Euros auf schlechte Wirtschaftsaussichten Deutschland oder der Eurozone zurückzuführen. Zum einen werden Marktübertreibungen der letzten Wochen im Jahr 2020 relativiert; zum anderen gibt es viele Argumente, die gegen einen stärkeren Euro sprechen. Bei den rohstoffnahen Währungen ist es die Erholung der Rohstoffpreise und die häufig bestehende Zinsdifferenz. Beides müsste beispielsweise dem Mexikanischen Peso und dem Russischen Rubel einen deutlichen Aufwärtsschub geben. Beim US-Dollar reicht auch die vorhandene Zinsdifferenz aus, zumal sich viele Schwellenstanden in der US-amerikanischen Währung verschulden und die Nachfrage so weiter steigt. Entsprechend ist der US-Dollar eher bei 1,10 als 1,30 zu bewerten. Insgesamt wird der Euro durch die EZB-Zinspolitik, die politische Unsicherheit und die hohe Verschuldung längerfristig unter Druck bleiben.
Gerade vor diesem Hintergrund bleibt die Entwicklung der Edelmetallpreise überraschend. Tendenziell fallen diese immer leicht, wenn der US-Dollar stärker wird. Aber die Rückgänge liegen deutlich oberhalb des Üblichen. Vielfach wird eine Umschichtung von Gold zu der Digitalwährung Bitcoin als wesentlicher Aspekt genannt. Dies wäre aber so, als würde ein Volksmusik-Fan in der ersten Reihe bei einem Bushido-Konzert stehen. Chance und Risiko bei Gold bzw. Bitcoin sind nicht in Ansätzen vergleichbar. Entsprechend sollte man eine Bodenbildung bei Gold abwarten und zunächst weiterhin Silber und Platin bevorzugen. Beides sind Edelmetall, die industriell verwendet werden und so von der wirtschaftlichen Erholung profitieren. Diese ist sehr stark von den asiatischen Märkten getrieben, während in den USA sich die konjunkturellen Perspektiven weiter eintrüben. Wenn sich die Aufwertung des US-Dollar fortsetzt, wird dies die Exporte aus den USA belasten. Der dortige Konsum leidet weiterhin unter Corona.
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