Was für ein Crash!

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Marktupdate 24/2022

Markus Schön, Dienstag 14. Juni 2022

 

2022 ist das schlechteste Jahr für deutsche Bundesanleihen, das es bislang gab. Zehn Jahre laufende Staatsanleihen aus Deutschland haben 15% an Wert in diesem Jahr eingebüßt und sind damit ebenso schlecht wie die Aktienindices DAX und Dow Jones. Nur der US-Technologieindex NASDAQ ist mit einem Minus von nun fast 30% noch schlechter. In vielen Anlageklassen wird nicht nur der Corona-Schock, sondern auch die Lehman-Pleite 2008 in den Schatten gestellt. Es ist also „Welt-Finanzkrise reloaded“ und keinen interessiert es. Dabei zeigt sich die Dramatik, wenn man nach Südeuropa schaut. Während in Deutschland eine Zinssteigerung bei Staatsanleihen um 2% in rund einem halben Jahr ärgerlich ist, ist ein Zinsniveau von 1,5% p. a. für den deutschen Staat (noch) verkraftbar. In Italien und Griechenland sieht es mit jeweils knapp 3,5% bzw. 4,5% p. a. deutlich anders aus. Da ist auch nicht tröstlich, dass viele Staatsschulden noch zu günstigeren Zinsen aufgenommen wurden. Zusammen mit Fälligkeiten und der Neuverschuldung muss Italien nun jährlich mehr als 10 Mrd. Euro zusätzliche Zinsen bezahlen. Dies summiert sich sehr schnell zu einem existenzbedrohenden Betrag. In Griechenland sieht es hinsichtlich der grundlegenden Gefahren kaum besser und in Spanien und Frankreich nur leicht besser aus. Nach Corona, Ukraine und Inflation droht in der Folge die nächste Euro-Krise, auf die Europa politisch nicht vorbereitet ist und nicht auf die Unterstützung der EZB zählen sollte. Natürlich kann man die Verträge ändern, dass die EZB statt derzeit ca. 40% der europäischen Staatsschulden bis zu 100% halten kann; wenn die Notenbank allerdings gleichzeitig die Zinsen erhöht, steigt das Marktzinsniveau immer weiter und die Refinanzierung für Unternehmen wird immer schwieriger.

 

Dies ist einer der Gründe, weshalb insbesondere Technologie-aktien deutlich an Wert verlieren: Traditionell ist dort der Fremdkapitalanteil hoch und es dauert lange, bis dort Geld verdient wird, falls das jeweiligen Unternehmen im Wettbewerb überhaupt bestehen kann. In diesem Segment hat sich der Zinsaufwand für viele Unternehmen nahezu verdoppelt und verlängert entsprechend den Weg zu einem rentablen Geschäftsmodell. Während die starken Rückgänge an den Kapitalmärkten kaum wahrgenommen werden, spielen die dramatischen Unsicherheiten in nahezu allen Bereichen keine wirkliche Rolle. An den Krieg in der Ukraine hat man sich etwas „gewöhnt“, viele Analysten glauben – anders als wir –, dass die Inflation gekommen ist, um zu bleiben, aber der globale Arbeitsmarkt ist sehr stark und irgendwie hat sich nach Corona eine Sichtweise durchgesetzt, dass es schon immer so weitergehen wird und im Zweifel die Staaten „alles regeln“. So funktioniert aber Kapitalismus nicht, viele Marktteilnehmer kennen nur noch Strukturen, in denen die Notenbanken und/ oder der Staat jedoch Rettungsfunktionen hatten. Zusammen mit einer Lethargie aus der Corona-Pandemie entsteht eine gefährliche Mischung. Dies zeigte sich auch beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Selten war die Stimmung auf nahezu allen Ebenen so schlecht. Dort trafen sich – dieses Jahr aufgrund der Corona-Pandemie später – die führenden Wirtschaftskräfte und Politiker, aber in diesem Jahr gab es kaum positive Nachrichten. Zusätzlich unterfüttert wird die schlechte Stimmung durch Konjunkturdaten, die auf eine weiterhin herausfordernde Zeit einstimmen sollten. So ist – trotz weiter robustem Arbeitsmarkt in den USA – die Verbraucherstimmung in der Erhebung der Universität Michigan auf den niedrigsten Stand gefallen, der jemals ermittelt wurde. Trotz der starken Entwicklung des US-Arbeitsmarktes und der weiterhin auch dort deutlich über den Erwartungen liegenden Inflation steigen die US-Löhne nicht so stark wie angenommen. Dies macht Hoffnung, dass die Inflation im Sommer 2022 ihren Zenit überschreitet, zumal die Rate der Geldentwertung in China sehr niedrig bleibt. Damit könnte China – wie schon in den 2000er Jahre – dämpfend auf die globale Geldentwertung wirken. Anders als damals geht der ursprüngliche Effekt aber von Russland aus. Was zunächst kurios klingt, erklärt sich relativ einfach. Weil die westlichen Staaten russische Energielieferungen mehr oder weniger stark begrenzen, werden die Förderkapazitäten nun nach China und Indien umgeleitet. Beide Staaten haben einen riesigen Energiebedarf, so dass Indien beispielsweise sofort 1/3 der gesamten Ölliefermengen, die Russland bislang nach Europa exportiert hatte, übernehmen konnte. Diese Einkaufsmacht führt in dem sanktionierten Umfeld dazu, dass Russland die Energie-Rohstoffe günstiger an diese Staaten verkauft. Durch die geringen Förderkosten ist es dennoch ein lukratives Geschäft. Während Russland im Westen also Inflation verursacht, dämpft es die Geldentwertung insbesondere in China.

 

Dies trägt zur weiteren Schwächung der wirtschaftlichen Kraft Europas im Vergleich zu den USA, aber insbesondere Asien bei. Einen Ausweg aus dieser Entwicklung zu finden, ist nicht einfach. Daher sollten Anleger auch auf der Zinsseite möglichst umfänglich diversifizieren, aber gerade aktuell die Laufzeiten verlängern. Der Zinsanstieg ist deutlich zu stark und wird über den Sommer 2022 nachlassen. Andernfalls werden immer mehr Unternehmen und Staaten von der Refinanzierung abgeschnitten werden und es kommt zu einer Kombination von mindestens drei Großkrisen – Krieg, Inflation und Rezession. In einem solchen Szenario droht tatsächlich ein volkswirtschaftlicher Crash, weil das Vertrauen in die Möglichkeiten der Notenbanken und zunehmend auch der Politik schwindet. Egal, was man geldpolitisch tut, wirkt es nicht dämpfend auf eine Inflation, die ausschließlich durch exogene Faktoren auf der Angebotsseite entfacht wurde.

 

Vielmehr besteht das Risiko, dass man Feuer mit Brennspiritus zu löschen versucht. Schließlich zeigten insbesondere die letzten zwei Handelstage, wie stark die Aktienmärkte unter den steigenden Zinsen leiden. Der Sachwert einer Aktie ist in einem Umfeld maximaler Unternehmens- und Investorenverschuldung viel geringer, weil der Schuldendienst steigt und nicht wenige Unternehmen und Investoren schon bei den niedrigen Zinsen an der Grenze der Leistungsfähigkeit angekommen waren. Der Grund ist auch einfach – viele Unternehmen waren zu teuer. Daher stellen sich auch Private-Equity-Investoren zunehmend auf sinkende Preise ihrer jeweiligen Beteiligungen ein. Auf die Vermögenspreisinflation bei vermeintlichen Sachwerten wie Aktien, sonstige Unternehmensbeteiligungen, aber auch zunehmend Immobilien droht nun eine Vermögenspreisdeflation. Die davon ausgehenden Gefahren sind immens.

 

Schließlich kann dort dann auch gelten: Was heute günstiger als gestern war, wird morgen noch weiter im Preis fallen. Wenn dann die Preise unter die jeweiligen Verschuldungen fallen, werden Kreditinstitute und sonstige Finanzierer Nachsicherungen fordern. Teilweise ist dies schon jetzt spürbar, wenn sogar Gold mit stark rückläufigen Aktien- und Rentenmärkten zusammen verliert. Noch ausgeprägter ist das Problem bei den Digitalwährungen. Diese sind vielfach stark kreditfinanziert. Entsprechend müssen die Sicherheiten verstärkt werden oder Bestände an Bitcoin o. ä verkauft werden. Entsprechend hat die Kryptowährung allein in diesem Jahr fast 40% an Wert verloren. Derzeit scheint alles außer dem US-Dollar und dem Russischen Rubel verkauft zu werden.

 

Die Stärke des Russischen Rubel ist schon beeindruckend. Seit Jahresanfang 2022 hat er gegenüber dem Euro 30% an Wert hinzugewonnen; von seinem Tief konnte er sich mehr als verdoppeln. Dazu trägt natürlich die Entwicklung der Energierohstoffe bei, die vielfach mindestens autokratische Systeme aktuell wirtschaftlich deutlich stärken. Bei Russland geht es aber den reinen marktbedingten Anstieg hinaus. Aktuell ist es Wladimir Putin gelungen, durch die von ihm geforderten Abrechnungsmethoden seine Währung zu stärken. Da auch Hochtechnologiestandorte wie Israel die Sanktionen nicht mittragen, ist die russische Wirtschaft robuster als man denkt. Hinzu kommen die immensen Goldbestände Russlands, die in den letzten Tagen weiter an Wert gewonnen haben. Während alles verlor, konnten US-Dollar, Russischer Rubel, Öl und eben Gold im Wert steigen. Silber und Platin bleiben weiterhin attraktiv.

 

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