"Geld... nie genug, immer neue Hilfsforderungen"
Marktupdate 50/2020
Markus Schön, Dienstag 15. Dezember 2020
Wer das Ende der Corona-Pandemie mit der Zulassung der Impfstoffe erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Trotz der Notfall-Zulassungen in Großbritannien – dort für Allergiker schon wieder eingeschränkt – und zu Beginn des Wochenendes in den USA ist der Virus das beherrschende Thema. Für Deutschland ist dies durch die stark steigenden Zahlen zu erklären, aber auch verschiedene Staaten in Asien spüren Anstiege der Infektionszahlen. Die Pandemie wird die Welt länger beschäftigen und es wäre besser, wenn die Politik dies auch endlich offen eingestehen würde. Noch klammern sich viele Marktakteure an zwei Nachrichten: Es ist bald vorbei und es gibt viel billiges Geld. Dies sorgt aber auch für zunehmende Probleme der Fehlallokationen. Vor allem entsteht nun aber eine Erwartungshaltung, die dauerhaft kaum zu erfüllen sein wird. Nachdem die Gerüchte über den „harten“ Lockdown in Deutschland bekannt wurden, wurden erste Stimmen wahrnehmbar, die den gerade verabschiedeten und mit einer Rekordverschuldung von 180 Mrd. Euro ausgestatteten Haushalt als nicht ausreichend einstuften. Die Zinsen sind für Staaten wie Deutschland aber nur so niedrig, weil der Glaube an die Schuldentragfähigkeit besteht, die natürlich durch die EZB zusätzlich untermauert wird. Die Notenbank gab bekannt, dass man das Kaufprogramm für Unternehmens- und Staatsanleihen um mehr als 1/3 und über ca. 500 Mrd. Euro ausweiten wird. Aber auch dies wurde als zu unambitioniert bewertet. Schließlich kann die EZB doch einfach Geld drucken, das die Immobilienpreise und die Kurse von Aktien immer weiter steigen lässt. Diese Vermögenspreisinflation steht im deutlichen Widerspruch zu realwirtschaftlichen Entwicklungen. Dort verfestigt sich der Trend zu einer „negativen“ Inflationsrate oder einer „Disinflation“. So wird schön umschrieben, dass die Notenbanken international – übrigens auch in China – gegen immer massiver werdende deflationäre Tendenzen ankämpfen. Wenn die Nachfrage sich weltweit wieder abschwächen sollte, droht eine Spirale sinkender Preise. Deswegen sind die Daten zum US-Verbrauchervertrauen und zur Wirtschaft in China positiv.
Die entscheidende Frage ist allerdings, wie nachhaltig sind diese Entwicklungen. Die USA erleben die größte Armut seit fast 90 Jahren und die Volkswirtschaft ist noch mitten in der Corona-Krise. Die schnelle Entspannung durch die Corona-Impfstoffe wird es auch dort nicht geben. Vielmehr brechen die USA fast täglich ihre eigenen Negativrekorde hinsichtlich Neuinfektionen und Sterblichkeit. Dies geht weder an der Gesellschaft noch an der Politik spurlos vorüber. Ein Wechsel der Pandemie-Strategie ist nicht zu erkennen und wird sich wohl auch vor dem 20. Januar 2021 nicht ergeben. Die aber dann im Raum stehenden Maßnahmen werden eine Belastung für die US-Wirtschaft sein. Diese Aspekte spielen wie andere Themen – Sanktionen der EU gegen die Türkei, der Streit zwischen der EU und den USA u. a. zur Gas-Pipeline oder das immer noch ungewisse Folgeabkommen zum Austritt Großbritanniens aus der EU – an den Kapitalmärkten keine Rolle. Deswegen ist das Rückschlagspotenzial viel größer als dies derzeit wahrgenommen wird. Interessant ist, dass die Märkte weiterhin sehr stark vom Technologiesektor getragen werden. So konnte Tesla eine 5 Mrd. US-Dollar Kapitalerhöhung durchführen, mit der eine Anleihe zurückgezahlt werden kann. Ohne diese Maßnahme, bei der Aktionäre gutes Geld schlechtem hinterherwerfen, würde Tesla Zahlungsprobleme bekommen. Solche Irrationalitäten sind nur durch die global immer expansivere Geldpolitik möglich. Anders hätte der Übernachtungsdienstleister kaum eine Verdopplung seines Emissionskurses nach Aufnahme der Erstnotierung in den USA erleben können.
Diese Zinspolitik und politische Rahmendaten ermöglichen Entwicklungen, die zumindest seltsam erscheinen. Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer der größten Krisen; global ist es die größte Herausforderung seit dem 2. Weltkrieg, aber die Insolvenzen in Deutschland befinden sich auf dem niedrigsten Stand seit mehr als 25 Jahren. Zu erklären ist dies durch sehr niedrige Finanzierungskosten, aber auch durch die Bereitschaft vieler Investoren, für jedes Geschäftsmodell immer wieder Geld zu geben. Aktuell ist aber auch entscheidend, dass die Insolvenzantragspflicht in Deutschland ausgesetzt ist und vermutlich bis mindestens zum Jahresanfang 2021 ausgesetzt bleiben wird.
Es ist noch nicht lange her, als vielfach Sorgen über die Zombie-Unternehmen in China zu hören war. Jetzt gehen Deutschland und weite Teile Europas einen ähnlichen Weg. Die Einigung auf die europäischen Corona-Hilfen ermöglicht eine Fortsetzung dieser Entwicklung statt für eine wirkliche Erneuerung zu sorgen. Nicht funktionierende Geschäfts-modelle werden durch staatliche Hilfszahlungen am Leben gelassen, während wichtige Branchen leiden und dort oft das Geld für Zukunftsinvestitionen fehlt. Dies ist eine fatale Entwicklung, da die Wirtschaft in China wieder boomt und Unternehmen dort Marktanteile hinzugewinnen. Aber auch die USA dürften wettbewerbsfähiger agieren als es derzeit Europa tut. Deswegen entwickeln sich die US-Aktienmärkte deutlich besser als in Europa, obwohl Corona für die USA derzeit ein viel größeres Problem ist. Man gewinnt aber den Eindruck, dass sich die Orientierungslosigkeit, in der Europa vielfach gefangen zu sein scheint, viel kritischer als die Spaltung innerhalb der USA gesehen wird. Deswegen bleibt das Umfeld für europäische Aktien weiterhin schwieriger.
Sicherlich hilft hierbei auch nicht der relativ starke Euro, der sich zwar im Wochenvergleich kaum verändert hatte, aber auf dem Niveau von 1,21 schon sehr stark bewertet ist. Noch kritischer ist die Entwicklung des Euros auf Jahressicht 2020. Dort hat er – mit Ausnahme des von uns auch favorisierten Australischen Dollar – fast gegenüber allen anderen Währungen teilweise deutlich aufgewertet. Besonders stark war mit rund 27% der Anstieg gegenüber dem Russischen Rubel, der mit einem Wochenplus von rund 1,5% seine Schwäche im Gesamtjahr nur minimal reduzieren konnte. Neben den politischen Risiken, die Anleger dort mit Blick auf die Sanktionen sehen, machte dem Russischen Rubel vor allem der schwache Ölpreis zu schaffen. Auch hier gab es im Wochenvergleich kaum Veränderungen, aber mit einem Minus von 25% in diesem Jahr gehört der Ölpreis zu den großen Verlierern. Unter diesen Entwicklungen leiden auch viele rohstoffnahe Währungen; allerdings gilt, je näher der Währungsraum an China ist, desto geringer fallen die Rückgänge aus. Schließlich ist China – wie auch die dortige Währung zeigt – nicht nur Motor der weltweiten, wirtschaftlichen Entwicklung, sondern benötigt immer mehr Rohstoffe.
Dies hilft natürlich auch den entsprechenden Währungen, deren Volkswirtschaften von der entsprechenden Nachfrage profitieren. In der Folge produziert China Waren für die Weltwirtschaft und baut so die Position aus. Von dem eigentlichen Ziel, weniger von Exporten abhängig zu sein, entfernt sich die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt aber etwas. Während die USA und Teile Europas am Konsum „hängen“, benötigt China viel stärker die internationale Nachfrage. Dies hilft den industriell benötigten Rohstoffen, während die Edelmetalle derzeit eher ein Spielball von Markteinschätzungen sind. Nach steilen Anstiegen in der Vorwoche insbesondere bei Platin und Silber waren in den letzten Tagen eher Gewinnmitnahmen zu verzeichnen. Dies bietet immer wieder Chancen, Positionen entsprechend aufzubauen.
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