"Black Friday" – Auswirkungen auf die Innenstädte

Zug

Marktupdate 47/2020

Markus Schön, Dienstag 24. November 2020

 

Die Welt befindet sich immer noch mitten in der vermutlich schlimmsten Pandemie seit über 100 Jahren und an den Kapitalmärkten könnte die Stimmung kaum besser sein. Schließlich scheinen zwei Impfstoffe gegen Corona kurz vor der Zulassung zu stehen, eines der größten Freihandelsabkommen ist geschlossen und Joe Biden wird als Garant für den globalen Welthandel gefeiert. Zu stark wird jedoch ignoriert, dass dies die Zukunft sein kann, aber es auch noch Risiken gibt. So hat Biontech eine Notfallzulassung in den USA beantragt, über die in der zweiten Dezemberwoche 2020 seitens der Arzneimittelbehörde entschieden werden wird. Dann soll einen Tag später schon mit den Impfungen begonnen werden. Dabei ist über ein Impfkonzept in den USA, die Verteilung dort und die global schwierige Logistik durch die Kühlung des Impfstoffes mit – 70 Grad nichts bekannt. Donald Trump hat offensichtlich mindestens das Interesse an der Bekämpfung der Pandemie verloren, weshalb es kaum einen dämpfenden Effekt in den USA auf die Entwicklung der Neuinfektionen gibt. Vielmehr betonte
Donald Trump bei dem virtuell am Wochenende statt-gefundenen G20-Treffen seine „America-first-Politik“. Selbst das Freihandelsabkommen der pazifischen Staaten bringt in also nicht davon ab, in bilateralen Strukturen zu denken. Dabei sind die USA wirtschaftlich in schwierigem Fahrwasser. Durch die Blockadehaltung zeichnet sich keine neue Konjunkturhilfe ab, während andere Hilfen auslaufen.

 

Vor genau diesem Szenario – weniger Wirtschaftshilfen, mehr Corona-Neuinfektionen – warnt die US-Notenbank. Schließlich kann dies die größte Volkswirtschaft der Welt wieder sehr schnell in eine Rezession führen. Aber auch in Europa sieht es nicht wesentlich besser aus. Zwar gibt es hier in weiten Teilen Impfkonzepte und es werden Maßnahmen gegen steigende Neuinfektionszahlen ergriffen. Aber die EU-Hilfsgelder sind ebenso wie der europäische Haushalt durch das Veto Polens und Ungarns blockiert. Auch hier mahnt die EZB zu einer schnellen Lösung, zumal das Anschlussabkommen zwischen der EU und Großbritannien zum Brexit keinen Fortschritt macht. Realistisch bleibt nur die Option einer von Boris Johnson ausgeschlossenen Fristverlängerung oder die Folgen wie bei einem „hard Brexit“. Europa und die USA kommen so immer weiter ins Hintertreffen gegenüber Asien und vor allem China. Dennoch hielten sich die Aktienkurse gerade in diesen Regionen auf relativ hohen Niveaus und der Optimismus ist sehr groß. Möglicherweise ist es auch der Versuch, die durch die neuerlichen, unterschiedlichen Lockdowns in Europa geschwächten Volkswirtschaften sozusagen durch Zuspruch zu kräftigen. Schließlich steht am kommenden Donnerstag in den USA Thanksgiving an, auf das dann der umsatzstärkste Einzelhandelstag in den USA folgt. Dieser „Black Friday“ ist der Tag, an dem in normalen Zeiten viele US-Einzelhändler erstmals in dem jeweiligen Jahr ein positives Gesamtergebnis erreichen. In diesem Jahr begleiten gemischte Gefühle beide Ereignisse. Reisen zu Familienfeiern quer durch die USA, zu denen Donald Trump ermutigt, können die Virusausbreitung beschleunigen. Gleiches gilt für volle Innenstädte und Einkaufszentren in den USA. Umgekehrt wären schwache Umsätze ein Signal für die großen konjunkturellen Probleme der USA. Wichtig ist aber auch, wie viel Umsatz zu den online-Handelsunternehmen abwandert. Hier gibt es jedes Jahr neue Rekorde, aber 2020 dürfte – trotz aller konjunktureller Sorgen – für Amazon, Ebay u. ä. alle Erwartungen übertreffen. Dies deckt sich auch mit den sich mehrenden Berichten und Analysen über die Zukunftsfähigkeit des innerstädtischen Einzelhandels. In Deutschland sehen sich in diesem Segment 60% der Unternehmen in ihrer Existenz gefährdet. Mit den Herausforderungen in der Gastronomie, die zu erstmals seit 2013 sinkenden Umsätzen im Handwerk beitragen, droht eine große Veränderung der Innenstädte.

 

Vermutlich werden günstigere Flächen profitieren und – neben dem online-Handel – viel Kaufkraft aus den Innenstädten abziehen. Noch macht sich dies aber nicht bei den innerstädtischen Immobilienpreisen bemerkbar, weil die niedrigen Zinsen das Ertragsrisiko überdecken. Wer eine vermeintliche Mietrendite von 4% p. a. erzielt, aber nur 0,6% Zinsen jährlich zahlen muss, vermutet ein gutes Geschäft zu machen. Dabei ist aber nur sicher, dass das Zinsniveau vermutlich längerfristig niedrig bleiben wird. So sind die Renditen global gefallen, weil zumindest bei Zinspapieren die mit den steigenden Neuinfektionszahlen einhergehende Unsicherheit greifbarer ist. Dies haben auch für die zweite Novemberhälfte eines Jahres überraschend viele Unternehmen genutzt, um sich an den Kapitalmärkten zu refinanzieren. Da die Nachfrage nach nahezu allen Anleihen extrem hoch ist, ist das Zinsniveau weiter gefallen. Selbst Papiere eher mittlerer Bonität weisen bei (Rest-) Laufzeiten von weniger als fünf Jahren vielfach Negativrenditen aus. Hier bleiben eine Risikobetrachtung, aktives Management und eigenes Research unerlässlich.

 

Dies gilt natürlich auch für Aktienanlagen, zumal dort die Bewertungsniveaus teilweise noch irrationaler als bei Anleihen sind. Hier wird mehr als die Hoffnung auf mögliche Impfstoffe, politische Beruhigung auf allen Ebenen und boomende Märkte in Asien eingepreist. Es wird ein lang anhaltender Boom erwartet, der die Weltwirtschaft weit über das Niveau vor Corona bringen müsste. Dies ist unrealistisch, zumal wesentliche Zukunftsfragen ungeklärt sind. Aus deutscher Sicht ist dies u. a. die Zukunft der Automobilbranche, in der neue Förderungen, aber kein wirkliches Konzept im Raum stehen. International rückt der Konkurrenzkampf der US-Technologieunternehmen in den Fokus. Dort will Apple einerseits die Weitergabe von Nutzerinformationen für Drittanbieter erschweren, nutzt aber diese Informationen andererseits selbst. Diese Haltung sorgt für Spannungen mit dem Internetkonzern Facebook, der seinerseits versucht, sich immer neue Geschäftsfelder zu erschließen. Diese neue Form des Konkurrenzkampfs wird die Margen der US-Technologiekonzerne belasten und damit auch die Kurspotenziale eher begrenzen.

 

Zudem überlegen viele Technologieunternehmen viel zu wenig, wie Geschäftsmodelle dauerhaft funktionieren. So hat der Zahlungsdienstleister PayPal die Möglichkeit eröffnet, mit der Kryptowährung Bitcoin zu bezahlen, was – neben dem Interesse aus Asien an alternativen Währungen – zu dem starken Kursanstieg beigetragen hat. Allerdings wird die Digitalwährung beispielsweise in Deutschland steuerlich wie eine Aktienanlage betrachtet, so dass man Anschaffungs- und Veräußerungswerte nachweisen muss, die dann i. d. R. der Abgeltungssteuer unterliegen. Hier gibt es keine automatisierten Abrechnungen seitens PayPal, so dass die Dokumentation dem Bitcoin-Anleger obliegt, weil andernfalls sehr schnell steuerrechtliche Probleme drohen.

 

Dies sind aus Sicht vieler Technologieunternehmen Details, zumal die Steuerquote der Unternehmen selbst durch die Nutzung aller Möglichkeiten sehr niedrig ist. Dem Bitcoin-Anstieg hat dies aber keinen Abbruch getan. Dieser lag deutlich über den erfreulichen Entwicklungen der „realen“ Währungen im Rohstoffbereich, die gegenüber dem Euro in den letzten Tagen deutlich an Wert hinzugewonnen hatten. Ursächlich hierfür ist das relativ stabile Preisniveau vieler Rohstoffe und die Erwartung deutlich steigender Nachfrage durch die eingangs beschriebenen Hoffnungen. Unter diesen Entwicklungen leiden etwas die Edelmetallpreise. Insbesondere Gold enttäuschte mit einem Verlust von rund 1%, während vor allem Platin mit einem Wochenplus von über 6% eine sehr starke Entwicklung hatte.

 

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