Wer Aktien will, kommt an den USA kaum vorbei

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Marktupdate 44/2020

Markus Schön, Dienstag 03. November 2020

 

An den internationalen Aktienmärkten liegt eine der schwächsten Handelswochen seit März 2020 hinter uns. Die Entwicklung der US-Indices war in der Woche vor den US-Präsidentschaftswahlen noch nie so schlecht wie die letzten fünf Tage. Es ist natürlich z. T. die Ungewissheit, ob Donald Trump eine von vielen als wahrscheinlich eingestufte Wahlniederlage akzeptieren würde. Wir vermuten hingegen, dass sich diese Frage nicht stellt, weil er mit knappem Vorsprung doch wiedergewählt wird. Sobald hier Klarheit herrscht, erhalten Sie von uns am kommenden Mittwoch eine Sonderausgabe Ihres Schön&Co-Marktupdate. In den mittelfristigen Auswirkungen für die Kapitalmärkte sind Donald Trump und Joe Biden viel enger zusammen, als man dies aufgrund ihrer politischen Ziele vermuten kann. Eine wesentliche Rolle spielt auch zukünftig die US-Notenbank, die den Versuch unternehmen muss, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie auszugleichen. Schließlich ist der Virus die Ursache für die starken Verluste an den Aktienmärkten weltweit, die zwischen 6% und 9% im Wochenvergleich verloren haben. Der DAX ist – ohne Berücksichtigung der Dividenden – nun seit dem Jahr 2000 wieder im Minus. Aktienanleger müssen daher deutlich internationaler agieren, was insofern überrascht, da viele Konzerne für das 3. Quartal 2020 überraschend gute Zahlen vorlegen konnten. Dies zeigt sich in der wirtschaftlichen Entwicklung insgesamt. Von Juli bis September 2020 ist das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um 8,2% gestiegen. Nach dem starken Einbruch während des 1. Corona-Lockdowns wird jetzt vielfach noch ein Rückgang im Jahr 2020 von knapp 6% erwartet. Da hierbei die Folgen der ab morgen geltenden Maßnahmen noch nicht berücksichtigt sind, halten wir an unserer Einschätzung eines deutlich stärkeren Rückgangs für dieses Jahr fest. Zu dieser eher pessimistischen Sichtweise trägt die Corona-Entwicklung in Europa insgesamt bei. Nahezu in allen Staaten explodieren die Zahlen. Frankreich, Belgien und Österreich versuchen mit teilweise weit strengeren Schritten, den Virus einzudämmen. In Italien und Spanien steht Ähnliches bevor.

 

Dies wird die europäische Wirtschaft massiv belasten. Die daraus folgenden Hilfsmaßnahmen führen zu noch höheren Staatsschulden, bei denen langsam die Phantasie fehlt, wie Italien und Spanien, aber auch Frankreich dies jemals auch nur in Ansätzen bezahlen sollen. Nicht zuletzt vor dieser, bislang nur sehr leise diskutierten Fragestellung hat die EZB am letzten Donnerstag ihre Handlungsbereitschaft betont. Deswegen ist es wahrscheinlich, dass im Dezember 2020 mindestens das Anleihekaufprogramm der Notenbank ausgeweitet, aber nach unserer Einschätzung auch der Leitzins ins Negative gesenkt werden wird. Diese Krise wird aufgrund der zuvor schon schwachen Ausgangslage wirtschaftlich nur zu meistern sein, wenn der Preis des Geldes – also der Zins – immer unattraktiver wird. Dies gilt umso mehr, da bislang das geplante Hilfspaket der EU im Gesamtvolumen von 750 Mrd. Euro immer noch nicht konkretisiert wurde. Die internationale Politik reagiert auf diese tiefe gesellschaftliche Krise weiterhin nur, ohne gestalterische Wirkung zu entfalten. Aus anderen Gründen ist dies besonders deutlich in den USA wahrnehmbar. Dort konnte durch den US-Präsidentschaftswahlkampf kein weiteres Hilfspaket verabschiedet werden. Gleichzeitig steigen dort die Infektionszahlen nahezu ungebremst wieder an. Dies hat nicht nur die Aktienmärkte belastet, sondern sorgt auch für steigende Zinsen. Dabei spielt wirtschaftlich die Musik in den USA. Allein die US-Technologiekonzerne haben im 3. Quartal 2020 einen Gewinn von 38 Mrd. US-Dollar gemacht. Dieser ist u. a. im Geschäft mit Cloud-Technologie angefallen, während SAP genau in diesem Segment deutliche Schwächen offenbarte.

 

Lediglich auf der Zinsseite kann Deutschland derzeit Maßstäbe setzen. Deutsche Staatsanleihen sind gefragt wie nie und weisen daher deutlich negative Renditen auf. Mit knapp 0,9% p. a. liegt hingegen der Zinssatz für 10 Jahre laufende US-Staatsanleihen auf einem Niveau, für das Deutschland vermutlich eine 300 Jahre laufende Anleihe emittieren könnte. Sicherlich spielt die Unsicherheit vor der US-Wahl eine wichtige Rolle, aber auch die fehlende Strategie, wie die immense US-Verschuldung eingedämmt werden kann, ist auch ein Risikofaktor. Schließlich zeigt sich, dass Sicherheit derzeit wieder stark gefragt ist.

 

Entsprechend kommen teilweise Unternehmensanleihen ebenfalls unter Druck. Je schwächer die Bonität oder die Besicherung ist, desto größer sind die Rückgänge. Anders als bei Aktien weiß man aber, dass Anleihen zu 100% zurückgezahlt werden, sofern der Emittent nicht zahlungsunfähig wird. Dann gehen die Aktionäre des entsprechenden Unternehmens aber mit Sicherheit leer aus. Deswegen ist es wichtig, in substanzstarke und nachhaltige Unternehmen zu investieren. So konnten Werte wie 3M oder Fresenius mit starken Zahlen überraschen. Ähnlich war die Situation auch bei SAP, da die Gewinnwarnung sehr überschaubar ausfiel. Den starken Kursrutsch des wertvollsten deutschen Unternehmens an der Börse verursachte eher die Zurück-haltung zur weiteren Entwicklung im Cloud-Geschäft, das bei Amazon oder Microsoft boomt. Ein starkes Signal setzte aber der SAP-Mitgründer Hasso Plattner, der für 250 Mio. Euro Aktien kaufte. Dieser überraschend starke Rücksetzer ist aus unserer Sicht eine Chance, günstiger die Aktie zu kaufen.

 

So ist der DAX zwar insgesamt auf einem angemessenen Bewertungsniveau, aber selektive Anlagechancen bestehen dennoch. Dies gilt trotz der vielfach berechtigten Sorgen zur weiteren Entwicklung der Pandemie auch gerade für deutsche Unternehmen, die von dem schwächer werdenden Euro profitieren können. Schließlich ist der US-Dollar derzeit gefragt, was im Widerspruch zu Aktien und vor allem US-Staatsanleihen steht. Kurzfristig ist die Weltleitwährung aber ein sicherer Hafen, während die mittel- und langfristigen Risiken der Finanzpolitik der USA offensichtlich sind. Ob Joe Biden bei einem Sieg das Ruder herumreißen kann, muss bezweifelt werden. In jedem Fall gibt er dem Mexikanischen Peso einen Schub, da er für eine Entspannung im Streit um eine Grenzmauer und die Beziehungen zu Mexiko insgesamt steht. Damit ist die mexikanische Währung eine Ausnahme bei den Währungen energierohstoffreicher Staaten. Der Russische Rubel und die Norwegische Krone gaben mit den deutlichen Verlusten beim Ölpreis spürbar nach. Profitieren konnte hingegen der Australische Dollar, da man dort keine neuen Virus-infektionen zu verzeichnen hat und von der guten Entwicklung in China zusätzlich profitiert.

 

Dennoch können sich die Rohstoffe der rückläufigen Entwicklung weltweit nicht entziehen. Wenn schon die führende Volkswirtschaft Europas in der Entwicklung der Aktienwerte schwach ist, offenbart sich das ganze Ausmaß, wenn man die südeuropäischen Indices in den Blick nimmt. Bei einer solchen Entwicklung ist klar, dass teilweise die Rohstoffpreise deutlich fallen und es bei Edelmetallen wieder zu „Notverkäufen“ kommt. Dies setzte vor allem dem Platinpreis zu, so dass man dort – ebenso wie bei SAP-Aktien – neue Einstiegsgelegenheiten vorfand. Die Edelmetallbeimischungen in Silber und Platin bieten einen Schutz bei einer wirklich großen Krise an den Finanzmärkten; durch die industrielle Komponente steigen sie aber auch bei einer wirtschaftlichen Belebung.

 

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